Bachs Weihnachtsoratorium für Kinder 2021
Kindgerechte Erzählung als musikpädagogische Meisterleistung in der Auferstehungskirche Essen
Trotz der Corona-Beschränkungen wurde das Weihnachtsoratorium von Joh. Seb. Bach Teile 1-3 an zwei Abenden in der Auferstehungskirche angeboten und dankbar von der großen Anzahl der Zuhörenden angenommen. Die gekürzte und spannend wie einfühlsame Fassung des Weihnachtsoratoriums für Kinder durch die Konzertpädagogin Ulrike Schwanse in Person der Anna Magdalena Bach war nicht nur für Kinder von großem Interesse und ließ die Augen aller leuchten und die Ohren spitzen auf die Schlüsselszenen der Weihnachtsgeschichte sowie deren musikalischen und zeitlichen Hintergründe.
Wie stolz war Anna Magdalena auf ihren rund um die Uhr komponierenden Ehemann. Und so erfahren die jungen wie auch die alten Bachfreunde, dass Bach zu jedem Weihnachtssonntag im Jahr 1734 eine dieser Kantaten geschrieben und mit den Knaben des Leipziger Thomanerchores uraufgeführt hat. An Hand von analytischen Beispielen konnten wir hautnah musikalisch erleben, wie Bach geschriebenes Wort plastisch in Musik umgesetzt hat: die klare, strahlende Ankündigung des Engels („Siehe, ich verkündige euch große Freude“) von der Sopranistin Judith Hoffmann gesungen, der aufgewühlte Generalbass („lasset uns nun gehen gen Bethlehem“) und das Wiegende im „Schlafe mein Liebster“ gesungen von Dagmar Linde. Und wenn der Tenor auf einer Silbe des Wortes „eilt“ 17 Noten zu singen hat, dann nennt man dies „Koloratur“ und zeichnet so den Weg der Hirten, um schnell die frohe Botschaft der Geburt des Jesuskindes weiter zu erzählen. Mit der Koloratur hatte Boris Pohlmann als Solotenor dann auch zu kämpfen. Majestätisch dagegen die Bass-Arie „Großer Herr, und starker König“ mit der strahlenden Trompete, sonor gesungen von Harald Martini.
Diese Aufführung des Weihnachtsoratoriums führte uns somit zu einem natürlichen und ungezwungenen Erleben von Musik. Sie konnte dabei helfen, wieder auf Zwischentöne zu lauschen, weg von der lauten Welt der medialen Botschaften. Die musikalisch erzählte Geschichte vom Kind in der Krippe war mehr als ein jubelndes Oratorium. Sie lässt uns tief im Herzen innehalten, hin zum eigentlichen Kern der Weihnacht und lässt uns das Licht dieser Nacht lebendig spüren in einer so gespaltenen Welt.
Die leidenschaftliche Interpretation durch Stefanie Westerteicher, den Mitgliedern der Essener Symphoniker, der Kantorei der Auferstehungskirche und der Jugendkantorei trugen zu diesem Erleben bei.
Die weihnachtliche Freude spiegelte sich im hellen Chorklang der Sängerinnen und Sänger wieder. Bei den beschwingten, rhythmisch diffizilen Koloraturen wie im „Herrscher des Himmels“ fiel es mir schwer, ruhig auf dem Platz sitzen zu bleiben: transparent, stimmlich ausgewogen und federnd, rhetorisch überzeugend und tänzerisch, leicht und duftig im Orchester. Gerne hätten wir beim Choral „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ mitgesungen, denn Weihnachten ist eben Jubilieren für alle, ist die gemeinsame Freude über die Geburt eines Kindes.
Dieses Wunder bedarf einer Musik, die sowohl himmlisch als auch menschlich zugleich klingt. Davon zeugt die Musik Joh. Seb. Bachs.
Der herzliche Applaus galt allen Mitwirkenden, die uns trotz aller pandemischer Hürden, einen solchen Musikgenuss geschenkt hatten.
- Hans-Joachim Meyer-Pohrt 2021 -